Carbing up: Die Energieversorgung des veganen Sportlers

Die pflanzenbasierte Kost befindet sich in unserer Gesellschaft weiterhin auf dem Vormarsch. Trotzdem werden häufig kritische Stimmen laut, wenn die Sprache auf das Thema pflanzenbasierte Ernährung im Leistungssport kommt.

Immer wieder wird in Frage gestellt, ob sich eine vegane Kost überhaupt mit dem Leistungssport vereinbaren lasse.

Die Behauptung, über pflanzliche Lebensmittel könne der erhöhte Eiweißbedarf eines Sportlers nicht gedeckt werden, ist ein beliebtes Streitthema und wurde mittlerweile schon mindestens ebenso häufig widerlegt, wie die Behauptung aufgestellt wurde. Tatsächlich liegt die Proteinaufnahme bei ausgewogener veganer Ernährungsweise mit zehn bis zwölf Prozent der täglichen Gesamtenergiezufuhr im Normbereich, bzw. leicht darüber[1]. Auch über ausschließlich pflanzliche Lebensmittel lässt sich der Bedarf an allen Aminosäuren, den Eiweißbausteinen, die unser Körper zum Leben braucht, decken. Tofu und Sojaprodukte, Nüsse und Samen, Hülsenfrüchte, Seitan, Lupinen und Vollkorngetreide sind gute Eiweißquellen.[2]

  • Erdnüsse: 25g
  • Mandeln: 24g
  • Tofu: 15,5g
  • Amaranth, roh: 14,5g
  • Walnüsse: 14,4g
  • Kichererbsen, gekocht: 9g
  • Linsen, reif, gekocht: 7,4g
  • Erbsen, grün, gekocht: 5,6g
  • Sojadrink, Natur: 3,7g
  • Grüne Bohnen, gedünstet: 2g
„Die zehn besten pflanzlichen Proteinlieferanten (pro 100g)“, eigene Darstellung (2015), Quelle: Bundeslebensmittelschlüssel.

Dagegen wird die Rolle der Kohlenhydrat-Versorgung beim Sport häufig vernachlässigt und von manchen Anhängern des low-carb Trends sogar ins Gegenteilige verkehrt und die wunderbaren Sattmacher und Energielieferanten zu Unrecht verteufelt.

Was gilt es also zu beachten, wenn sich der Sportler pflanzenbasiert ernähren möchte?

Generell ist eine adäquate Ernährung für den Sportler, wie für einen jeden Menschen, eine Kostform, die seinen Bedarf deckt. Der jeweilige Nährstoffbedarf ist bei jedem Menschen ein wenig anders geartet und auch beim Sportler variiert er abhängig von der betriebenen Sportart, Trainingsumfang und –Intensität, und hängt außerdem davon ab, ob eine Wettkampfsituation unmittelbar bevorsteht oder nicht.
Die erste Frage, die sich daher ein jeder Sportler ehrlich beantworten muss, ist, ob er sich als Gesundheits-, Freizeit- oder Leistungssportler sieht: Gesundheitssportler trainieren bei geringer bis moderater Intensität mit dem Ziel, ihre Gesundheit zu erhalten bzw. zu verbessern. Die Trainingshäufigkeit beträgt im Schnitt zwei bis drei Mal pro Woche bei 30 bis 60 Minuten. Freizeitsportler hingegen verfolgen das Ziel, ihre Freizeit aktiv zu gestalten, da sie Spaß an der Bewegung haben. Sie investieren zwei bis fünf Mal wöchentlich 60 bis 90 Minuten bei moderater Intensität. Leistungssportler, wie wir sie hier ins Auge fassen wollen, trainieren drei bis sechs Mal in der Woche, kommen in der Summe häufig auf mehr als acht Stunden Trainingszeit und verfolgen bei langfristiger Trainingsplanung das Ziel, ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern und sich im Wettkampf mit anderen Athleten zu messen. Für Gesundheitssportler ist es absolut ausreichend, sich an der veganen Ernährungspyramide zu orientieren. Wie sieht es für die anderen zwei Gruppen aus?

Merke: Je mehr Sport man treibt, desto wichtiger wird die Kohlenhydrat-Versorgung!

Der Körper kann theoretisch aus Kohlenhydraten, Fetten und auch Proteinen Energie gewinnen. Übt ein Mensch keinerlei sportliche Aktivität aus, werden Kohlenhydrate und Fette etwa zu gleichen Teilen für die Energiegewinnung genutzt. Der Muskel verbrennt dazu freie Glucose (ein Einfachzucker, der aus den über die Nahrung zugeführten Kohlenhydraten stammt)und freie Fettsäuren aus dem Fettgewebe. Bei hochintensiven Sporteinheiten verschiebt sich dieses Verhältnis nun und die Kohlenhydrate dienen als primäre Energiequelle (z.B. bei Sprints oder beim Gewichtheben). Bei niedriger und mittlerer Intensität oder sehr langen Trainingseinheiten (z.B. ein Ausdauerlauf) wird auf Fett als primäre Brennstoffquelle zurückgegriffen, zugleich werden aber auch Kohlenhydrate verbrannt[3] (vgl. Abb.2 und Abb.3).


Abb2

Abbildung 2 Arten der Energiebereitstellung in Abhängigkeit von der Belastungsdauer I (mod. nach Leitzmann, 2009)

Abb3

Abbildung 3 Arten der Energiegewinnung in Abhängigkeit von der Belastungsdauer II (mod. nach Leitzmann, 2009)

Ist die Kohlenhydrat-Versorgung unzureichend, greift der Körper auch auf Proteine zurück und das kann für den Sportler fatal sein: Zurückgreifen auf Proteine als Energiequelle heißt über kurz oder lang nämlich nichts anderes, als dass die mühsam antrainierten Muskeln abgebaut werden! Dies ist mit einer Abnahme der Leistungsfähigkeit verbunden, was im extremen Gegensatz zum Ziel des Sportlers steht. Um dieser Mangelsituation vorzubeugen, ist eine ausreichende Energieversorgung mit einem Kohlenhydratanteil von mindestens 60% (65 bis 83% in Wettkampfsituationen) notwendig[4].

Die erfreuliche Key-Message lautet also: Für einen trainierten, gesunden und leistungsstarken Körper ist die Versorgung mit Kohlenhydraten unerlässlich – Reis, Kartoffeln, Pasta und Co. bleiben also unsere Freunde! Doch sollten wir immer zu der vollwertigen Version greifen. Also Vollkornnudeln, Vollkornreis etc.

BERÜHMTE LEISTUNGSSPORTLER, DIE SICH PFLANZENBASIERT ERNÄHREN
Dass sich eine ausgewogene vegane Ernährung durchaus erfolgreich mit einem Leben als Leistungssportler vereinbaren lässt, zeigen übrigens die folgenden Personen auf beeindruckende Art und Weise:

  • Patrik Baboumian: Der stärkste Mann Deutschlands 2011
  • Arnold Wiegand: Veganer Rohköstler, Triathlet, 5-fach Ironman
  • Brendan Brazier: Ironman und Marathonläufer, der die rein pflanzliche und auf Rohkost ausgerichtete Thrive-Diät entwickelte
  • Matt Frazier: Marathonläufer und Buchautor
  • Gerlinde Kaltenbrunner: Profi-Bergsteigerin, die als erste Frau alle 14 Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen hat
  • Scott Jurek: Ultramarathonläufer und Buchautor
  • Karl Ess: Personal Trainer und Ernährungsberater

Trotzdem ist die Studienlage zum Themenkomplex vegane Kost im Leistungssport noch recht überschaubar und die Frage, ob die vegane Ernährung vorteilhaft für den Spitzensportler ist, nicht abschließend geklärt. Nachweislich positiv wirkt sich die pflanzenbasierte Kost jedoch auf die körperliche Gesamtfitness, das Immunsystem, das Herz-Kreislauf System und somit auf die Lebenserwartung aus[5]. Diese Auswirkungen lassen auch positive Effekte auf die sportliche Leistungsfähigkeit vermuten.

Quellen:
American Dietetic Association (ADA), Dietitians of Canada (DC) (2009): “Position of the American Dietetic Association and Dietitians of Canada. Vegetarian diets.“, Journal of the American Dietetic Association, 103 (6), 748-765.
Ärzte-Kommission für verantwortungsbewusste Medizin (Physicans Committee for Responsible Medicine – PCRM): Vegetarian and vegan diets, Internet: http://www.pcrm.org/health/diets, eingesehen: 22.11.2015.
Berning (2002): The vegetarian Athlete. In: Maughan (ed) Nutrition in Sport. Part2: Special Considerations. Chapter 33: 442-456.
BLS – Bundeslebensmittelschlüssel (2015), Internet: http://www.bls.nvs2.de/index.php?id=39&L=ftp%3A%2F%2Fclaudia051%3Asnh2323%40ftp.uhserver.com%2Fteste.php, eingesehen: 22.11.2015.
Brazier, B. (2009): Thrive Fitness: The Vegan-based Training Program for Maximum Strength, Health, and Fitness. Da Capo Press.
Deutsches Ernährungsberatungs- und Informationsnetz (2015): Sporternährung – Grundlagen, Internet: http://www.ernaehrung.de/tipps/sport/sportbegriff-muskulatur-energiegewinnung.php, eingesehen: 22.11.2015.
Fuhrmann, J.; Ferreri, D.M. (2010): Fueling the vegetarian (vegan) athlete. In: Current Sports Medicine Reports July/ August 2010, Vol. 9, Iss. 4, S. 233-241.
Kristensen, Nadja B., et al. (2015)“Intake of macro-and micronutrients in Danish vegans.“ Nutrition journal 14.1:1-10.
Leitzmann und Keller (2010): Vegetarische Ernährung, UTB Verlag, Stuttgart.
Raschka, Christoph, and Stephanie Ruf (2015): Sport und Ernährung: Wissenschaftlich basierte Empfehlungen, Tipps und Ernährungspläne für die Praxis. Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
[1] Raschka, Christoph, and Stephanie Ruf (2015): Sport und Ernährung,S.104
[2] BLS – Bundeslebensmittelschlüssel (2015)
[3] Raschka, Christoph, and Stephanie Ruf (2015): Sport und Ernährung, S.38
[4] Raschka, Christoph, and Stephanie Ruf (2015): Sport und Ernährung, S.108
[5] Fuhrman, Joel, and Deana M. Ferreri. „Fueling the vegetarian (vegan) athlete.“Current Sports Medicine Reports 9.4 (2010): 233-241.
Foto: Stocksy

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