Kinderernährung aktuell – ein Interview

Clarissa Barbosa weiß Bescheid. Sie ist 33 Jahre alt, Ernährungswissenschaftlerin und Epidemiologin und seit 12 Jahren vegan. Als Studienkoordinatorin bei der Eskimo-Studie des Robert-Koch-Instituts untersucht sie außerdem das Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Die Studie startet gerade in ihren zweiten Untersuchungszeitraum. Wir haben sie zu den Themen Veganismus, Gesundheit und Ernährungsforschung befragt.

Clarissa, was genau machst du als Ernährungswissenschaftlerin in der Epidemiologie?

Ich bin als Studienkoordinatorin bei der EsKiMo-Studie, EsKiMo steht für Ernährungsverhalten als KiGGS-Modul. Wir lassen Kinder und Jugendliche im Alter von 6-17 Jahren bzw. deren Familien einige Zeit ihre Nahrungsaufnahme protokollieren. In der übergeordneten Kernstudie KiGGS, einer Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland und den weiteren untergeordneten Studienmodule werden Daten zur körperlichen Aktivität, belastenden Umwelteinflüssen, Verhalten und Entwicklung gesammelt. Das Ganze wird ergänzt durch ärztliche Untersuchungen und die Laboruntersuchungen von Blut-und Urinproben. Die heute stellenweise volljährigen Studienteilnehmer aus der ersten Datenerhebung werden ebenfalls erneut untersucht und befragt. Am Ende liefern die verschiedene Module Daten um den Gesundheits- und Ernährungszustand von Kindern in Deutschland zu beschreiben und zusammenhängende Analysen zu machen. Mögliche Gesundheitsrisiken aber auch gesundheitsförderliche Aspekte sollen damit identifiziert werden.

Welche Ergebnisse hat der erste Studienzeitraum der Ernährungserhebung EsKiMo geliefert?

Grundsätzlich ist der Fleischkonsum unter Jugendlichen, vor allem bei den Jungs deutlich höher als empfohlen. Auch Süßigkeiten und Fastfood werden zu viel gegessen. Die guten Kohlenhydrate wie zum Beispiel aus Kartoffeln, Reis oder Nudeln genau wie Obst und Gemüse werden dagegen viel zu wenig gegessen. Als Folge nimmt Übergewichtigkeit bis hin zu Fettleibigkeit unter Kindern und Jugendlichen in Deutschland immer mehr zu.

Veganismus und Vegetarismus spielt also keine Rolle in der durchschnittlichen Ernährungsweise von Kindern und Jugendlichen. Inwiefern geht ihr bei euren Datenerhebungen auf dieses Thema ein?

Bisher wurde nicht spezifisch auf dieses Thema eingegangen. Im zweiten Teil der Studie wird es jedoch eingebaut sein. Spätestens 2018 erwarten wir die ersten Ergebnisse.

Zunächst lässt sich jedoch sagen, dass ein höherer Anteil an pflanzenbasierter Kost für das Durchschnittskind ratsam wäre?

Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre, aus den verschiedensten Studien weisen darauf hin. Auch die offiziellen Ernährungsrichtlinien wie z. B. von der DGE, der deutschen Gesellschaft für Ernährung, wurden schon entsprechend angepasst. Aktuelle Studien zeigen dass generell der Anteil an Veganern in der Bevölkerung gestiegen ist. Es bleibt spannend zu sehen, ob sich bei den Jungen auch etwas verändert hat und welche eventuellen Folgen das auf ihre Gesundheit hat.

Du hast selbst als Jugendliche angefangen dich mit dem Thema auseinander zu setzen. Wie kam das?

Ich bin über den Punk dahin gekommen. Ich stamme aus Belo Horizonte, einer Großstadt in Brasilien. In Brasilien ist Veganismus eine völlig unbekannte Randerscheinung. Erst heute ändert sich das langsam, wobei es als Veganer in Brasilien immer noch schwierig ist. Bands wie Propagandhi und Point Of No Return haben Musik über Tierrechte und Veganismus gemacht. Ich habe aus politischen Gründen schließlich entschieden, vegan zu werden. Meine Mutter hat damals laut gelacht und gesagt: „Das schaffst du nie!“. Mittlerweile kann ich sogar in Belo veganen Käse kaufen und bin immer noch dabei.

Wie stellst du selbst sicher, dass du optimal nährstoffversorgt bist?

Ich habe eine Riesenkochbuchsammlung und versuche abwechslungsreich zu kochen. Seit ich vegan lebe, lasse ich mindestens einmal im Jahr einen Bluttest machen. So hat man bei mir auch festgestellt, dass ich Vitamin B12 nicht gut über den Darm resorbiere und ich muss es mir über die Vene verabreichen. Ich habe gelernt auf Warnsignale meines Körpers zu reagieren, mir schlafen zum Beispiel schneller die Arme ein, wenn ich einen niedrigen B12-Spiegel habe. Durch die verminderte Resorptionsfähigkeit, hätte ich vermutlich auch als Fleischkonsument Probleme mit der B12-Versorgung, wäre mir dessen aber gar nicht bewusst gewesen.